Morgens machen wir noch einen schönen langen Spaziergang mit Wiegald am Meer.
Dann fahren wir weiter – die Küste entlang in Richtung Norden. Die Strecke zwischen Fossaciese und Ortona ist sehr schön. Wir können meist direkt am Meer entlang fahren – denn die Strasse schlängelt sich an den Hügeln oberhalb entlang. Immer wieder fallen uns kleine Stege auf, über die man zu Holzhütten gelangt, die auf verwitterten Holzpfählen direkt im Wasser stehen. Sie sind als Trabocchi ausgeschildert – was immer das heißen mag. Wir vermuten, dass die Fischer dort Muscheln züchten oder sonst auf irgend eine spezielle Art Fisch fangen. Wir fahren an Ortona vorbei Richtung Pescara.
Eigentlich wollten wir uns die Stadt ansehen. Aber als wir ankommen entpuppt sich Pescara doch als eine viel größere Stadt als wir dachten. Es ist alles sehr wuselig und hektisch. Man folgt der Hauptstrasse „Adriatica“ und kommt von einem typischen Vorort in den nächsten bis plötzlich schon die Stadt da ist. Alles geht irgendwie ineinander über. Das Bild ist geprägt von modernen hohen Häusern. Nicht Hochhäuser im eigentlichen Sinne, aber eben auch keine alten Villen oder Häuser mit nur zwei Stockwerken.
Wir beschließen, weiterzufahren. Auf dem Weg bis zu unserem nächsten Stop – einem kostenlosen Stellplatz bei einer Ölmühle auf einem der Hügel – sollen noch zwei Örtchen folgen, die sehenswert sind. Doch auch die schließen sich quasi nahtlos an Pescara an. Zwischen der Strasse, auf der wir fahren und den Wohnorten am Meer kommen noch die Bahngleise. Meist sind die Bahnunterführungen aber nicht hoch genug, dass wir darunter hindurch passen würden… Es gibt zwar pro Ort jeweils eine Unterführung, die vier Meter hoch ist für den Lieferverkehr. Aber die zu finden ist nicht so leicht, weil die Beschilderungen etwas spärlich sind…
Also folgen wir der Strasse einfach weiter bis es links hinauf zu unserem nächsten Halt gehen soll. Die Strasse ist abenteuerlich! Super eng und holprig. Immer wieder kommen Autos um eine Ecke gebogen, sehen uns, steigen in die Bremsen und machen freundlich Platz. Dann sind wir da – an der Ölmühle! Nein, die ist nicht idyllisch mitten im Grünen gelegen. Sondern mitten im Ort an einer Kreuzung! Sie hat auch nichts von der Art „Frantoio“, die ich so aus der Toskana kenne. 😉 Es ist vielmehr ein recht modernes Betonhaus – außen grau. Das Erdgeschoss unten hat eine Deckenhöhe von gut drei Metern. Darüber folgt ein erster Stock und ein ausgebautes Dach. Bis wir noch so überlegen, ob wir hier wirklich richtig sind, winkt schon eine alte Dame auf dem Balkon im ersten Stock. Wir bleiben also mit Warnblinkanlage stehen – mitten auf der Kreuzung. Aber so, dass die kleinen italienischen Flitzer sowohl rechts als auch links an uns vorbeikommen. Keiner regt sich auf. Der Straßenverkehr fließt einfach weiter um uns herum. 🙂
Nach gut fünf Minuten kommt Elvira, die Hausherrin, hinaus macht uns das große Tor zum Hinterhof auf und entschuldigt sich vielmals, dass es so lange gedauert hat. Sie musste ihren kleinen Sohn erst noch anziehen, der sollte eigentlich gerade zum Mittagsschlaf ins Bett. Daran ist erstmal nicht zu denken als der Kleine den Vario sieht. Ganz aufgeregt läuft er vor dem Auto auf und ab und kann sich gar nicht satt sehen. Er ist immer ganz fasziniert von den WoMos erklärt seine Mama. Nachdem der kleine Simone in Ruhe Vario und Wiegald bestaunt hat, klappt es doch noch mit dem „Pisolino“.
Wir kommen erstmal in Ruhe an, ich lasse Wiegald raus und genieße von schräg gegenüber der Ölmühle den Blick über die Dächer von Silvi (dem Ort) hinunter zum Meer, das zirka 500 Meter Luftlinie entfernt liegt. Dann machen wir es uns im Vario gemütlich.
Am Abend klingeln wir nochmals bei Elvira und bekommen eine sehr informative Führung durch die kleine Ölmühle und eine herrliche Verkostung des eigenen Öls des Antico Frantoio Ciabarra. Die Familie von Elvira betreibt die Mühle bereits seit 1923. Heute ist das Gebäude zwar modern, aber die Ölgewinnung wird noch mit alten Maschinen gemacht.
Wir lernen, dass die Bezeichnungen des Olivenöls vor allem mit der Qualität der Oliven und dem Säuregehalt zu tun haben. (Ich vermute es handelt sich um die ungesättigten Fettsäuren, weil Elvira in dem Zusammenhang auch von „gesund für uns Menschen“ sprach. Streng genommen erzählte sie aber nur von „Säure“ – bin daher nicht ganz sicher…) Der Säuregehalt, um den es hier geht, kann von unserer Zunge nicht geschmeckt werden und wird daher im Labor ermittelt. Er hängt vor allem davon ab wie schnell die Oliven nach der Ernte verarbeitet werden. Im Idealfall liegen zwischen der Ernte und der Pressung des Öls nicht mehr als 24 Stunden. Das „Olio extra Vergine“ hat in der Regel eine Säure von 0,1 bis 0,8. Zwischen 0,9 und 2,0 gilt die Bezeichnung „Olio Vergine“. Und die allgemeine Bezeichnung „Olio d’Oliva“ hat nichts mit einer zweiten Pressung oder so zu tun sondern ist immer ein chemisch aufbereitetes Olivenöl, das meist in der Lebensmittelindustrie oder in Restaurants zum Frittieren verwendet wird.
Im Frantoio wird das eigene Öl der Familie Ciabarra gepresst. Zudem bringen die Bauern aus dem Umland ihre Oliven zum Pressen vorbei. Kann man sich ungefähr so vorstellen, wie die „Oro-Saftpresse“ in Rohrdorf – wer die kennt… Hier am Meer sind die Oliven aus der Region schon Anfang Oktober reif, so dass zwischen Oktober und Ende November Hochbetrieb in der Mühle herrscht. Da mir Elvira in italienisch viel mehr erklären kann als sonst in englisch, dauert unsere Führung mehr als eine Stunde. Danach dürfen wir das neue Öl, der Oktober-Pressung noch auf leckerem Weißbrot verkosten. Es schmeckt wirklich sehr lecker: fruchtig-pikant. Da nehmen wir natürlich etwas mit! 🙂
Danach kochen wir, lesen noch ein wenig und gehen ins Bett.
(Bei den Türen gab es die letzten Tage auch Neuzugänge…)