Nachts war Wiegald ruhiger als die Nacht zuvor.
Er hat zwar öfter versucht aufzustehen. Aber sehr schnell gemerkt, dass es nicht klappt und seine Versuche schnell aufgegeben. Insgesamt wirkt er einfach sehr erschöpft und unglücklich über seinen Zustand.
Er hat sich nachts zwar immer wieder Wasser geben lassen. Und auch morgens trinkt er nochmal ein wenig von selbst. Aber immer noch sehr unkoordiniert. Aufstehen oder sitzen kann er nicht. Er würde immer nach links umfallen, wenn ich ihn nicht stütze. Und selbst das scheint sehr anstrengend für ihn zu sein.
Georg und ich sind uns schon nachts einig, dass wir ihm nicht nochmal so einen Tag wie gestern in der Klinik zumuten wollen. Das wäre nur eine Verlängerung seines Leidens. Als ich Wiegald am Morgen nochmal sein heiß geliebtes Nassfutter vor die Nase halte, wirkt er fast angewidert davon und mag nicht mal daran schlecken! Ein deutlicheres Zeichen kann er uns nicht geben.
Wir streicheln und halten ihn den Morgen über. Es mag komisch klingen, aber er scheint seinen Frieden zu finden und hat sich innerlich wohl schon vom Leben verabschiedet.
Gleich um neun Uhr laufe ich zur Klink. Marta ist da, die TA, die Wiegald auch aufgenommen hat. Ich frage wie das Einschläfern bei ihnen abläuft. Denn so eine schlimme Erfahrung wie bei meinem letzten Hund möchte ich auf gar keinen Fall nochmal erleben. Und ich frage, ob sie mit in den Vario kommen kann, ich würde das auch extra bezahlen.
Natürlich kommt sie mit! Sie fragt nochmal, ob wir auch sicher sind. Und ich bestätige es, weil ich das Beste für Wiegald will. Die letzten beiden Tage waren leidvoll genug für ihn. Sie bestätigt mir, dass sie wenig Hoffnung hat, dass er sich nochmal erholen würde.
Im Vario war Wiegald ganz nervös, als ich weg war sagt Georg. Aber jetzt wo ich wieder da bin beruhigt er sich. Marta macht den Abschiedsprozess sehr einfühlsam und liebevoll! Wir sitzen bei Wiegald, halten und streicheln ihn auf seiner geliebten Viskomatte. Er bekommt erst eine tiefe Narkose, so dass er langsam bei uns einschlafen kann. Erst dann kommt die zweite Spritze.
Wir sind tieftraurig und auch Marta geht es sehr nah. Sie gibt uns Zeit, uns zu verabschieden und zu überlegen was wir weiter machen möchten.
Ti ringrazio tantissimo cara Marta! Mi era tanto importante che questo processo di addio sia stato fatto per Wiegald in un modo così calmo, sereno, affetuoso e senza stress o paura! E grazie anche ai tuoi colleghi della clinica!
Wir nehmen in Ruhe Abschied von Wiegald. Es hört sich sicherlich merkwürdig an, aber ich konnte in den letzten Tagen beobachten wie sich sein Geruch verändert hat. Vorgestern und gestern hat er ganz anders gerochen als er sonst roch. Irgendwie krank und gestresst. Nun liegt er sehr friedlich vor uns und riecht irgendwie auch friedlich, fast ein wenig nach einem duftenden Räucherstäbchen.
Die beiden Damen der Polizia Municipale kommen nochmal vorbei und erkundigen sich, wie es unserem Hund geht. Als wir sagen, dass er gestorben ist, sind sie sichtlich geknickt.
Es ist SO schmerzhaft! Auch wenn ich wusste, dass dieser Tag mehr oder weniger bald kommen würde und obwohl ich weiß, dass der Abschied einfach ein ganz normaler Teil des Lebens ist. Aber nach all den guten Nachrichten der letzten Untersuchungen dachte ich, dass wir noch ein weniger mehr Zeit miteinander haben würden…
Gegen Mittag bringen wir Wiegald zur Klinik. Ich hatte in den letzten beiden Tagen, als ich dort war ein wenig die anderen Hunde-Patienten und Kunden beobachtet. Darum frage ich Marta noch, ob sie auch Kunden haben, die nicht so viel Geld haben und die sich vielleicht über sein Spezialfutter und so freuen würden. Sie sagt ja.
Also packen wir Wiegalds Sachen bis auf ein paar kleine Andenken, sein Futter, sein gerade gekauftes Scalibor-Halsband und seine Leinen etc. und bringen sie am Nachmittag nochmal zur Klinik. Lieber sollen andere Menschen und ihre Hunde seine Sachen bekommen, die einen engeren finanziellen Rahmen haben, als dass wir es einfach wegwerfen. Das Klinik-Team freut sich sehr darüber. Ein Tierheim hätte sich bestimm auch gefreut. Aber einen solchen Besuch bringe ich jetzt einfach nicht fertig.
Wir bedanken uns beim Klinik-Team und bezahlen unsere Rechnung. Die ganzen Untersuchungen und Behandlungen des gestrigen Tages rechnen sie gar nicht ab! Wow. Das ist wirklich sehr nett. Manch anderer TA hätte da ohne weiteres nochmal zugelangt und für Infusion, Medikamente Ultraschall etc. nochmal schnell ein paar hundert Euro abgerechnet…
Wir verabschieden uns und fahren erstmal auf einen nahegelegenen Stellplatz am Rande der Altstadt. Um uns abzulenken und in Memoriam wollen wir uns schon noch ansehen, welchen Ort in Bella Italia sich Wiegald für seinen Abschied ausgesucht hat…
Dazu laufen wir etwas durch die Gassen der Fußgängerzone von Ravenna und sehen uns einen Teil der UNESCO-Stätten an: beeindruckende Mosaike und frühchristliche Kirchenbauten. Auch sonst hübsche Gassen, Plätze und Gebäude. Ein schöner Ort. Und gar nicht weit weg vom Meer… Nur heute ist es für unseren Geschmack zu kalt – wozu der Regen sein übriges beiträgt.
Georg und ich sind sehr froh und dankbar, dass Wiegald „nur“ zwei Tage leiden musste, dass wir dabei waren, als er (vermutlich) seinen Schlaganfall erlitt und dass wir ihm zusammen mit Marta einen Abschied ermöglichen konnten, wie wir es uns immer für ihn gewünscht hatten: liebevoll und in Ruhe in seinem zu Hause im Vario. So konnte er ohne Angst und Stress über die Regenbogenbrücke gehen!
Mit den Beiträgen von heute und den letzten Tagen habe ich euch nun sicherlich sehr viel zugemutet! Das tut mir leid. Für mich war es tröstlich und gut, das alles so niederschreiben zu können. Und ich danke euch allen von Herzen für euer Mitgefühl und eure Anteilnahme!