Morgens geht es schon um halb Neun los. Zunächst besichtigen wir eine Kirche in Sesava/Sessau.
Hier sperrt der noch recht jung anmutende „Opa“, der sich um die Anlage kümmert, begleitet von seinem Enkel Christen, die Tore für uns auf, und der Enkel ist bei der Kommunikation behilflich. Denn er spricht sehr gut Englisch.
Das Gotteshaus wurde in all den Jahren nie zerstört und ist entsprechend noch recht gut erhalten. Es liegt umgeben von alten, hohen Bäumen mitten auf dem Land. Das war wohl das Glück dieser Kirche, an deren Erbauung Vorfahren von Georgs Familie vermutlich beteiligt waren. Leider finden sich nirgendwo mehr „offizielle“ Anzeichen dafür. Doch da zu einer bestimmten Zeit alle Gutsbesitzer Kirchen errichten mussten, liegt die Vermutung nahe. Zudem konnte Peter recherchieren, dass ein Vorfahre im Jahr 1687 einen silbernen Abendmahlkelch gespendet hatte. Und den bekommen wir tatsächlich auch noch zu sehen. 😉
Bisher haben wir in Lettland zwei Kirchen gesehen. Ich fand es toll, dass es in den Kirchen Holzböden gibt! Dadurch entsteht eine ganz andere Atmosphäre und es herrscht ein gänzlich anderer Geruch als bei uns in Deutschland. Fand ich sehr interessant… 😉
Nach der Kirche fahren nach Bervircava/Würzau. Hier besichtigen wir die Überreste des Gutes, in dem die Vorfahren der Howens bis 1843 insgesamt 368 Jahre lang ihren Familiensitz hatten. Das 1475 erbaute Anwesen gilt als das älteste noch bestehende Gutshaus in ganz Lettland. Wir sind alle überrascht, dass das große Gebäude aus Holz nicht schon längst einem Brand zum Opfer gefallen ist.
Doch leider ist das Haus inzwischen schon sehr verfallen – vor allem innen – und die Lage ist heute nicht mehr so idyllisch wie sie früher einmal war: Ringsherum wurden eher unansehnliche Bauten in unmittelbarer Nähe zum Gut gebaut. Zum Glück hat man zumindest den Vorplatz mit der sehr alten Eiche erhalten. Ein toller Baum! Mit einem Stamm, der rund drei Meter Durchmesser hat! Enorm.
Nachdem Wandel auf Howens Spuren fahren wir weiter zum Schloss Rundale/Ruhenthal, das ganz in der Nähe liegt. Das Schloss war die Sommerresidenz des kurländischen Herzogs Ernst Johann Biron und gilt als das bedeutendste Kunstdenkmal des Barock und Rokoko in Lettland. An das prunkvolle Schloss schließt sich zudem ein wundervoller „französischer“ Garten, der einzige Barockgarten Lettlands.
Wir wandeln zunächst im schönen Garten, der in mühevoller Arbeit von dem Museums-Team rund um Direktor Imants Lancmanis angelegt wurde. Einziger Wehrmutstropfen für mich war, dass ich mit Wiegald nur mit Maulkorb in den Garten hätte hineingehen dürfen… Den hatte ich zwar dabei. Aber eigentlich ist er nur dazu gedacht, dass ich ihm den für eine kurze Bus- oder Bahnfahrt aufsetze, wenn es gar nicht anders geht, weil es in einem Land eben so Vorschrift ist. Für einen Spaziergang durch einen Park bei über 20 Grad ist das nicht gedacht! Die beiden Damen am Einlass diskutieren zwar noch, dass Wiegald ja doch eher ein kleiner Hund sei. Aber sie sind sich uneins und können sich nicht durchringen, uns hinein zu lassen. Also bringe ich Wiegald wieder zum Vario und gehe dann nochmal zurück in den Garten.
Danach haben wir noch ein wenig Zeit für eine kleine Mittagspause. Um 14 Uhr sind wir mit Dr. Lancmanis verabredet, dem Direktor von Schloss Rundale. Peter kennt ihn gut und hatte ihm erzählt, dass wir heute hier sein würden. Daraufhin hat er es sich nicht nehmen lassen, uns eine Privatführung durch die Räumlichkeiten im Schloss zu geben. Sehr sehr nett! Wieder so eine tolle Gelegenheit, Geschichte von jemandem zu erfahren, der mit Leib & Seele dabei ist: Im nächsten Jahr kann Imants Lancmanis sein 50-jähriges Amtsjubiläum für Schloss Rundale feiern! Wir hören von interessanten Details von den Restaurierungsarbeiten, spannende Geschichten über die Hintergründe zu einzelnen Exponaten, wie sie wann und wo ersteigert werden konnten und welche Mäzene dem Museum wertvolle Kunstgegenstände schenkten. Wird dürfen sogar Räumlichkeiten besichtigen, die der Öffentlichkeit momentan noch nicht zur Verfügung stehen und hören fasziniert den Ausführungen zu. In einem Raum sehen wir dann auch noch ein Porträt von Otto Hermann von der Howen, der 1795 ein bedeutender Politiker in Kurland war. Deshalb das Gemälde hier im Museum…
Irgendwann spüre ich meinen Rücken und mir tun die Füße ein bisschen weh. Und als ich auf die Uhr sehe sind schon fast vier Stunden vergangen! So lange war ich noch nie „freiwillig“ im Museum! 😉 Und ich hätte noch länger bleiben können… Wir bedanken uns am Ende sehr herzlich für diese ganz besondere und tolle Tour! Welch ein Glück, dass das alles so geklappt hat und die Termine von Herrn Lancmanis es zuließen, uns heute persönlich durch das Schloss zu führen. Und wie schön, dass Peter den Kontakt hatte. Das war wirklich eine Besichtigung der ganz besonderen Art, an die ich mich immer erinnern werde.
Danach gehe ich zügig zu Wiegald, der brav die ganze Zeit im Vario verbrachte und inzwischen ungeduldig auf sein Essen wartet und auch mal dringend raus muss. Sehr brav hat er durchgehalten! Ich muss ihn fast ein wenig ermuntern wirklich zuerst raus zu gehen… Futter steht halt einfach auf der „Prio-Liste“ deutlich weiter oben. Da verkneift er sich lieber das Pipi noch eine Weile länger… 😉
Wir fahren zurück zum Hotel, essen noch gemeinsam etwas und dann mache ich mich nach drei Tagen mal wieder daran, all meine vielen tollen Eindrücke aufzuschreiben, bevor ich durcheinander komme. 😉 Ich sitze fast bis Mitternacht und falle dann müde ins Bett… War ein toller Tag!