Jul 21

Tag 162: Herrenhäuser

Morgens um vier Uhr höre ich leise Stimmen vor dem Vario. Ich mache mein Rollo vorsichtig ein wenig nach unten und schaue hinaus…

Im Morgengrauen erkenne ich einen Typen mit Kapuzenshirt, der offensichtlich mit einem anderen etwas bespricht, den ich aber nicht sehen kann. Dann huscht er nach hinten in Richtung Rollerbühne. Irgendwie kommt mir das verdächtig vor. Es scheint, nicht die sonst schon mal übliche „Männer-Vario-Bewunderung“ zu sein. Ich steige also vorsichtig aus meinem Bett und öffne nach einander überall die Rollos ein wenig. Gerade so, dass ich mir rundherum einen Überblick verschaffen kann… Nirgends regt sich etwas…

Als ich am hinteren Rollo ankomme, sehe ich einen silbernen BMW langsam auf der Strasse hinter dem Vario vorbei fahren. Dann hält er an. Aber durch den Baum, der direkt vor unserem Fenster steht ist das Fahrzeug verdeckt. Ich warte… Plötzlich kommt wieder der Typ mit dem Kapuzenshirt angehuscht – direkt unter unsere Rollerbühne. Ich warte noch kurz, was er da wohl treibt… Dann mache ich das Fenster auf und brülle wütend „Hey!“. Der Typ erschrickt sichtlich, schmeißt die Hände entschuldigend nach oben, sagt etwas und gibt Fersengeld.

Ich warte noch ein wenig. Dann hüpfe in Hose und Shirt und schleiche langsam nach hinten, um zu sehen was die da wollten. Einer der Expander an unserer Abdeckung vom Roller ist gelöst… Sonst nichts. Ich hake ihn wieder ein und gehe zurück ins Bett, brauche aber noch eine Weile bis ich wieder einschlafen kann… 😉

Wahrscheinlich waren die einfach nur neugierig was unter der „Haube“ ist, nachdem sich ja die Biker-Meute im nicht weit entfernten Narva getroffen hatte. Dass sie wirklich so dumm gewesen sind, dass sie ernsthaft versucht hätten, den Roller auf einem kameraüberwachten Hotelparkplatz zu klauen mag ich nicht glauben… Der Rest der Nacht verläuft wieder gewohnt ruhig.

Vormittags brechen wir auf nach Haljala. Hier steht eine der ältesten Kirchen Estlands, eine Wehrkirche aus dem 14. Jahrhundert. Leider ist sie verschlossen. An der Türe hängt eine Telefonnummer… Peter ruft an. Aber niemand geht ran. Wir sehen uns also draußen die Erbbegräbnisse der Familien an, die dort früher ansässig waren. Danach beschließen wir, einfach auf dem ruhigen Parkplatz vor der Kirche einen Snack zu essen.

Als wir gemütlich im Vario sitzen, klingelt Peters Handy. Es ist die Pastorin der Kirche, die seinen Anruf gesehen und zurückgerufen hat. Sie spricht sehr gut deutsch und bietet an, gleich zur Kirche zu kommen und für uns aufzusperren. Peter ist im siebten Himmel! Er wollte so gern in diese Kirche! Wie schön, dass es klappt. 🙂 Wir bekommen viel über die Kirche, den Brand, die aktuellen Restaurierungsarbeiten und über interessante Funde aus früherer Zeit erzählt.

Dann setzen wir unsere Fahrt fort. Der nächste Halt wird das Herrenhaus Palmse Mois. Ein beeindruckendes Haus auf einem riesen Areal mit sehr vielen Nebengebäuden inklusive einem separaten „Wintergarten-Haus“, Brauerei und Brennerei. Man kann das Herrenhaus besichtigen und durch den weitläufigen Garten spazieren. Die ehemalige Brennerei ist heute ein Hotel und das ehemalige Badehaus ein Café.

Aus Bayern kenne ich bisher eher Schlösser und Schlösschen, die man besichtigen kann – keine Guts- oder Herrenhäuser. Aber Guts- oder kleinere Herrenhäuser scheint es bei uns schon auch zu geben – wenn auch nicht zum Besichtigen. Denn mein Elternhaus war auch über viele Jahre der Sitz der Grafen Brühl. Allerdings weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, in welcher „Funktion“ die Familie es genutzt hat. Muss ich glatt mal nachfragen und auch mal erfragen woher unsere Familie so kommt… 🙂

Unser Tagesziel für heute liegt noch rund zehn Kilometer weiter und ist ebenfalls ein Herrenhaus auf einem großen Areal. Vihula Moisa ist heute allerdings kein „Museum“ sondern ein professionell gemanagtes Hotel, das sich Country Club & Spa nennt und scheinbar auch ein Bio-Gut in den Stallungen betreibt…

Und damit der Herrenhäuser noch nicht genug! 😉 Denn auf dem rund zehn Kilometer langen Stück Weg zwischen Palmse Mois und Vihula Moisa kommen wir noch an Sagadi Mois vorbei – ebenfalls ein wieder hergerichtetes Herrenhaus mit Hotel/Restaurant in einem der Nebengebäude… Wobei diese drei Herrenhäuser von heute schon mehr kleinen Schlössern ähneln als einem Gutshaus…