Feb 25

Tag 381: Dear Prudence

Heute Vormittag steht weiterhin die Suche nach dem Ashram von Maharishi Mahesh Yogi auf dem Programm. Dessen Ashram wurde vor allem durch den Besuch der Beatles 1968 weltweit bekannt. Doch es waren nicht nur die Beatles dort…

Ich treffe Edith gegen halb zehn vor dem Guest House und wir ziehen los Richtung Ram Jhula. Bereits auf dem Weg zur Brücke fällt mir auf, dass heute sehr viele Menschen unterwegs sind. Auch auf der Brücke ist das Gedränge groß und es setzt sich fort, als wir rechts Richtung Swarg Ashram abbiegen. Wir folgen dem Touristenpfad entlang des Ganges, durch den Bazar und vorbei an den großen Ashrams. Die Umgebung wird karger, ärmlicher, am Straßenrand finden sich immer mehr selbstgebaute Übernachtungsplätze aus Zeltplane und Wellblech. Aber die Menschenmenge nimmt nicht ab.

Am Ende der staubigen Straße sehen wir linker Hand ein offenes Zelt, in dem in riesigen Töpfen gekocht wird. Rechts am Ufer des Ganges essen viele Menschen Thali von großen silbernen Tabletts. Am Straßenrand stehen mehrere LKW mit Transparenten, deren Aufschrift wir nicht verstehen. Hinter dem Zelt ist es auf einmal menschenleer. Ich vermute, dass dies eine Versorgungsstation für Pilger war und der große Ansturm wohl dem Essen fassen galt. Wiegald kann das verstehen.

Auf den nächsten paar hundert Metern gibt es nur noch ein Rudel Straßenhunde und die unvermeidlichen Kühe. Dann endet der Trampelpfad an einem ausgetrocknetem Seitenarm des Ganges. Wir sehen etwas, das ein altes Gebäude sein könnte, und folgen dem Fluss. Uns kommt ein Inder entgegen, den wir nach dem „Beatles Ashram“ fragen. Er deutet in die Richtung und sagt „go look“. Bald stehen wir vor dem offiziellen Eingang des mittlerweile ziemlich verfallenen Ashrams. Die Gebäude wurden 1997 verlassen und die Kontrolle über das Gelände fiel an die Indische Forstverwaltung zurück, von der Maharishi das Gelände gepachtet hatte. Große Schilder warnen vor dem unbefugtem Zutritt und drohen eine Strafe von 5000 Rupies an, wenn man erwischt wird.

In einschlägigen Reiseführern haben wir gelesen, dass man – wenn man Glück hat – die Wache am Eingang bestechen kann und dann auf das Gelände kommt. Heute ist aber niemand da und das Tor ist abgeschlossen. Der Inder, der uns entgegenkam, treibt sich etwas in unserer Nähe herum. Wir gehen auf ihn zu und fragen ihn, ob er uns hineinbringen kann. Er schaut grimmig, läuft los, dreht sich kurz um und sagt „come“.

Wir zögern nicht lange und laufen ihm hinterher. Der Weg führt einen Trampelpfad entlang durch dschungelähnliches Gestrüpp. Gut, dass wir dem Tipp aus einem Internetforum mit dem Mückenschutz gefolgt sind. Es geht einen Hügel hinauf, mal rechts, mal links, und plötzlich stehen wir vor einer Mauer, von der ein Teil eingestürzt (worden?) ist. Wir klettern hinüber, folgen dem Trampelpfad weiter und stehen kurz darauf auf dem offiziellen Weg, der von dem Eingangstor am Fuße des Hügels hinauf zu den zahlreichen Gebäuden des Ashrams führt. Entlang des Weges sehen wir immer wieder „Medidation Caves“, kleine Gebäude mit Kuppeln, in denen je ein Sadhu wohnen und meditieren konnte. Insgesamt 130 Stück soll es davon auf dem Gelände geben.

Es geht vorbei an einem kleinen Shiva-Tempel zur großen Meditation- oder Sitting-Hall. Hier haben sich Künstler unter anderem mit einem Portrait der Beatles an den Wänden verewigt. Alles ist bereits sehr verfallen und einsturzgefährdet. Aber es ist auch sehr faszinierend, durch so einen „lost place“ zu laufen. Die Stimmung ist sehr friedlich. Die Natur holt sich hier immer mehr das zurück, was man ihr einmal genommen hat. In 20 Jahren wird hier vielleicht wieder dichter Urwald sein.

Unser Führer hat es relativ eilig. Er sagt, dass manchmal Leute von der Forstverwaltung auf dem Gelände lauern, und er will natürlich nicht erwischt werden. Also folgen wir ihm weiter.

Es geht jetzt zu dem Haus, in dem die Beatles gewohnt haben. Direkt nebenan steht ein zweites Haus, das spiegelbildlich gebaut ist. In den Guest Houses konnten – so erfahren wir – bis zu 300 Menschen wohnen. Es gab im Ashram auch eine Post, eine Bank und sogar ein kleines Krankenhaus. Wir klettern über verfallene Betontreppen auf das Dach des mehrstöckigen Gebäudes und genießen die Aussicht auf die Umgebung, Rishikesh und die mit weißen Mosaiksteinen belegten Kuppeln. Diese waren wohl zum Teil ebenfalls für Meditation, zum Teil Wassertanks.

Unser Führer will weiter, also folgen wir ihm die bröckeligen Stufen hinunter und wieder hinaus auf das Gelände. Wir laufen noch durch ein verfallenes Haus, in dem vielleicht einmal die Küche war, und stoßen dahinter wieder auf einen Trampelpfad, der uns den Hügel hinunter und durch ein anderes Loch in der Mauer wieder auf „offiziellen“ Boden führt. Wir bedanken und bei unserem Führer mit einem Trinkgeld. Er freut sich und verabschiedet sich.

Wir gehen auf dem Rückweg zum Guest House noch einen Espresso im Indischen Starbucks trinken (beim nächsten Mal merke ich mit den Namen). Dann muss Edith ihre Sachen packen und in einen anderen Ashram umziehen. Wir verabschieden uns und ich verbringe den Rest des Tags auf dem Balkon und lese.

Wer sich etwas mehr über den Indien-Besuch der Beatles informieren möchte, dem sei diese Seite empfohlen. Dort erfährt man unter anderem, dass auch Donovan, Mike Love von den Beach Boys sowie Mia Farrow und ihre Schwester zusammen mit den Beatles dort gewohnt und meditiert haben. Donovan hat Lennon dort eine Finger-Picking-Technik beigebracht, die Lennon in den Songs „Julia“ und „Dear Prudence“ einsetzte. Letzterer Song geht dabei auf Mias Schwester Prudence Farrow zurück, die angeblich als erste zu Gott finden wollte und drei Wochen ununterbrochen meditierte. Um sie aus ihrer Meditation zu locken, schrieb John Lennon jenen bekannten Song, der mit dem Satz beginnt und endet: „Dear Prudence, won’t you come out to play“.