Feb 16

Tag 372: Von Delhi nach Rishikesh

Pünktlich gegen 7:30 Uhr in Delhi angekommen muss ich zunächst durch die Immigration. Es gibt viele Schalter, von denen wenige besetzt sind (kennt man ja aus den USA). Am ersten Schalter ist die längste Schlange, aber dort steht ein Schild „Diplomats only“. Da ich heute keiner bin, laufe ich die leeren Schalter entlang, bis ziemlich weit hinten in der Halle ein Schalter mit der Aufschrift „All Passports“ steht, der auch besetzt ist. Seltsamer Weise steht dort keiner an, obwohl gerade ein Flieger aus Deutschland gekommen ist… Aber vielleicht waren das alles Diplomaten. Mein Einreiseformular wird vom Immigration Officer geprüft, während mich eine billige Webcam filmt. Pass und das Visum werden gecheckt und das war’s auch schon.

Im Flughafen suche ich erst einmal den Schalter der Bank of India. Das war ein Tipp aus einem Forum, da die einzige Geldwechsel-Konkurrenz im Terminal 3 „Thomas Cook“ (im Forum auch „Thomas Crook“ genannt) relativ hohe Gebühren verlangt. Auf einem Schild lese ich, dass die Bank of India seit dem 15.2.2014 – also heute – auch eine Service-Gebühr verlangt. Ändern die jeden Tag das Datum auf der Anzeige oder habe ich einfach Pech gehabt? Egal, mit pauschal 31 Rupien (ca. 40 Cent) fällt die staatliche Servicegebühr dafür sehr human aus. Der Wechselkurs ist am Flughafen generell schlecht. Aber etwas Bargeld zu haben ist wichtig, also tausche ich 100 Euro in knapp 8.000 Rupies. Ich muss meinen Pass vorlegen, bekomme eine Quittung mit Stempel und ein Bündel Bargeld. Ein anderer Tipp, den ich von meinem Guest House bekam, war die State Bank of India im Frachtterminal, die wohl faire Kurse hat. Aber da heute Sonntag ist, hat diese Bank leider geschlossen.

Auf meinen Rucksack muss ich an der Gepäckausgabe recht lange warten, aber schließlich kommt er. Viel Zeit also für’s Kopfkino  mit dem Film „Was alles passiert, wenn Du in Delhi ankommst, weiter nach Rishikesh fährst und Dein Gepäck nicht da ist“. Der Film gefällt mir aber nicht, also schaue ich lieber den Koffern zu, wie sie über das Band kreisen. Ein eifriger Inder zieht immer wieder mal einen Koffer vom Band, bis er eine Sammlung aus rund 20 Alukoffern zusammenhat. Vielleicht sammelt er die? Nein, er hat wohl irgendwie erkannt, dass die Koffer zur Crew vom Flieger gehören. Denn diese kommen in der Gruppe ans Band und holen von ihm ihr Gepäck ab. War also ein Service für das Flugpersonal. Dann geht’s durch den Zoll ins Terminal. Am Zoll interessiert sich niemand für die Ankömmlinge aus Deutschland und mein sorgsam ausgefülltes Zollformular darf ich auch behalten.

Jetzt suche ich nach dem Schalter von Airtel, einem indischen Mobilfunkanbieter, um mir eine nationale Prepaid-SIM-Karte zu besorgen. Denn die nur 2,97 Euro pro Minute nach Europa, die mir die Telekom per SMS empfiehlt, sind mir doch etwas zu hoch. Am Airtel-Schalter empfiehlt mir der Kollege, meine SM-Karte doch in Rishikesh zu besorgen, da die Aktivierungszeiten momentan recht lang seien. Gut, dann mache ich das so, denn das hätte zudem den Vorteil, dass ich mir das nationale Roaming spare. Indien ist so groß, dass die Mobilfunkanbieter für Telefonate mit beispielsweise einer SIM-Karte aus Delhi in den anderen Regionen des Landes zusätzlich zu den Gesprächsgebühren einen Roaming-Aufschlag verlangen.

Vor dem Ausgang des FLughafen steht ein Haufen Leute mit Schildern in der Hand. Ich spaziere die Reihe ab (ein Rucksack auf dem Rücken, einer vor dem Bauch), kann aber kein Schild mit meinem Namen entdecken. OK, dann warte ich halt noch etwas. Zufällig sehe ich, dass außerhalb des Flughafens auch Leute mit Schildern stehen, die wohl an einem Wachmann am Eingang nicht vorbeigekommen sind. Ich wandere freundlich grüßend an dem Uniformierten vorbei und entdecke auch gleich ein Schild mit der Aufschrift „Mr. Georg Ganga Vatika“. Mir gefällt mein neuer Name. Außerdem passt er gut, denn mein Ziel ist das „Ganga Vatika Boutique Guest House“ in Rishikesh.

Der Fahrer ist anscheinend auch froh, mich zu sehen, und wir wandern los Richtung Parkhaus. Unser Auto ist ein Tata Indigo und ich steige natürlich erst mal auf der falschen Seite ein – Indien hat Linksverkehr und der Fahrer sitzt rechts. Wir lachen beide und fahren los.

Nach ca. zwei Stunden haben wir Delhi hinter uns gelassen. Der Fahrer kannte sich wohl in der riesigen Stadt nicht so aus, es war auch wahnsinnig nebelig, und daher hat es etwas gedauert, bis wir die richtige Ausfallstraße gefunden haben. Sein Englisch ist nicht so gut, so dass sich die Kommunikation auf das Wesentliche beschränkt „First time India?“ „Yes, first time“. „Welcome“. „Thank you“. Wir lachen.

Ich wundere mich nach einiger Zeit, warum ich auf der Fahrt so entspannt bin. Der Verkehr ist irre, Regeln gibt es keine. Jeder fährt wo er will und macht den Vorausfahrenden durch Hupen auf sich aufmerksam. Wir kommen auf eine Art Autobahn (vierspurig, mautpflichtig und mit Mittelstreifen) und der Fahrer möchte Frühstücken. Da sein bevorzugtes Restaurant auf der rechten Seite der Autobahn liegt (wir fahren ja links) geht es an einer Stelle einfach durch ein Loch im Mittelstreifen auf die Gegenfahrbahn und dort noch ca. 1 km frontal gegen Busse, riesige LKWs, Motorräder und alle andere Verkehrsmittel. Das scheint weder ihn noch die anderen groß zu stören. Man hupt, um den anderen zu warnen, fährt frontal aufeinander zu und weicht dann kurz vor dem Aufprall aus und lacht. Keiner ist aggressiv, keiner schreit, alles ganz entspannt.

Ich kaufe mir in dem Straßenlokal nur ein Wasser in der Flasche, obwohl das Essen schon sehr lecker riecht und aussieht. Aber man hat mich an vielen Stellen davor gewarnt, bei Straßenverkäufern Essen zu kaufen, da die hygienischen Verhältnisse unserem europäischen Magen wohl nicht so entsprechen. Für das Wasser verlangt der Kellner 90 Rupies (gut 1 Euro). Ich bezahle, und anschließend bedankt sich der Fahrer sehr freundlich bei mir. Ich habe wohl seine Mahlzeit gleich mitbezahlt. Gerne geschehen. Schließlich ist er am Vorabend gegen 20 Uhr in Rishikesh losgefahren, war gegen 3 Uhr morgens am Flughafen und hat dort auf mich gewartet. Insgesamt wird er rund 20 Stunden unterwegs gewesen sein, um mich abzuholen und nach Rishikesh zu bringen. Dafür bezahle ich seinem Chef zirka 35 Euro… Nach der Pause geht es zunächst weiter als Geisterfahrer bis zum nächsten Loch im Mittelstreifen. Dort wechseln wir wieder nach links und fahren weiter Richtung Rishikesh.

Nachdem die Autobahn zu Ende ist, wird die Straße immer schlechter. Jeder versucht nur noch, mit seinem Fahrzeug die riesigen Schlaglöcher zum umfahren – egal ob PKW, Bus oder 15m langer LKW. Entsprechend scheinbar chaotisch geht es dabei zu. Aber in dem Chaos steckt auch irgendwie Harmonie. Wir kommen auf eine Brücke, die nur einspurig befahrbar ist. In der Mitte treffen sich zwei Auto, die nicht aneinander vorbeikommen und hinter jedem staut sich schnell eine lange Schlange. Natürlich wird gehupt, aber nicht aggressiv sondern vielleicht präventiv. Irgendwie löst sich nach ein paar Minuten das Chaos dann wieder auf und wir fahren weiter.

Mein Fahrer erzählt mir, er würde gerne nach Deutschland kommen, weil die Menschen dort mehr Geld hätten. Ich antworte, dass die Menschen hier aber viel glücklicher zu sein scheinen. Das macht ihn etwas nachdenklich.

Irgendwann am späteren Nachmittag kommen wir in Rishikesh an. Im Ort steigt noch ein Kollege zu, der den Weg zum Guest House kennt. Dort angekommen müssen wir etwas suchen, denn das Guest House ist Teil eines großen Ashram, in dem ein paar Zimmer an Touristen vermietet werden.

Nach dem Einchecken inklusive Ausfüllen von viel Papier (großes Registrierungsformular, die selben Daten nochmal in einem Registrierungsbuch und noch ein Formular mit irgendwas) zeigt mit Ana mein Zimmer. Ich bekomme ein schönes großes Zimmer unter dem Dach. Hier ist es am ruhigsten, da ich ganz oben wohne und außerdem ist daneben direkt der Zugang zur Dachterasse. Der einzige Nachteil am Zimmer ist, dass in dem Stockwerk der Wasserdruck für die Dusche zu gering ist. Dafür steht ein Eimer und eine Schöpfkelle bereit – Duschen „Indian Style“. Ich kann aber nach zwei Tagen das Zimmer wechseln, wenn es mir nicht gefällt.

Da ich heute nicht mehr raus möchte, sage ich, dass ich gerne am Abendessen teilnehmen möchte. Um 20 Uhr gibt’s für 300 Rupies (3,50 Euro) vegetarisches Essen. Fleisch, Fisch, Eier und Alkohol sind im ganzen Ashram verboten und wohl auch in Rishikesh so gut wie nicht zu bekommen. Nach dem Essen unterhalte ich mich noch etwas mit einem Holländer, der für eine Woche mit seiner Mutter in Indien unterwegs ist. Beide wollen von Mittwoch bis Samstag zu Mooji. Später erklärt mir Ana, wie ich morgen zum Vodafone-Shop in Rishikesh komme. Nach der Erklärung ist das Abenteuer für den nächsten Tag vorprogrammiert. Danach falle ich ins müde ins Bett. Au, was ist denn das? Hat das Bett keine Matratze? Doch, hat es. Aber die ist brettlhart!